BAEST trauen sich was. „Colossal“ ist nicht das Death Metal-Album, auf das man nach den starken Vorgängeralben hoffen durfte. „Colossal“ ist eine Riesenüberraschung. „Rutschebanen“, der dänische Begriff für Achterbahn, wäre ein passender Albumtitel für „Colossal“ gewesen, denn auf diesem Album geht’s rauf und runter, von links nach rechts, mit vielen überraschenden Wendungen – und das alles in Höchstgeschwindigkeit.
Das erste Riff auf „Colossal“ ist die erste Überraschung
Der Opener „Strombringer“ eröffnet „Colossal“ mit einem AC/DC-Riff, verzieht sich dann aber schnell in diese skandinavische Death meets Classic Rock-Ecke, in der sich auch THE CROWN einst wohlgefühlt haben. BAEST schaffen es, sogar auch noch ein sehr kurzes, aber sehr cheesy Gitarrensolo sowie einen Stadionrock-Part einzubauen. Der Titelsong ist ein solider Stampfer, hier sitzen BOLT THROWER mit im Rollercoaster-Wagen, „Imp Of The Perverse“ schlägt die Brücke zu Großtaten wie „Necro Sapiens“, dem grandiosen BAEST-Album von 2021. Diese Songs sind die langen Geraden zum Luftholen. „In Loathe And Love“ nehmen BAEST das Tempo raus, hier kann Drummer Sebastian Abildsten zum ersten Mal so richtig zeigen, was er kann. Hier ein Wirbel, da ein Tempowechsel – er macht dieses Album zur Kopfhörerplatte. Und man ahnt, dass da gleich noch was kommt.
BAEST zollen Bands Tribut, deren Einfluss bislang allenfalls zu erahnen war
„King Of The Sun“ bedeutet freier Fall für alle konservativen Death Metal-Fans: In dem Song ist D-A-D-Sänger Jesper Binzer als Gast und Duettpartner von BAEST-Sänger Simon Olsen zu hören, auch musikalisch verlassen BAEST hier ihre bisherige Fahrspur. Hardrock, Stadionrock, AC/DC-Blues – BAEST mogeln uns auf „Colossal“ so einiges unter. Vielleicht hat das ausgesprochen prägnante Riff in diesem Track zwei, drei Umdrehungen zu viel, vielleicht ist der Song einen Ticken zu überambitioniert. Eventuelle Schwindelanfälle aufgrund der vielen Töne kann man mit „Misfortunate Son“ ausgleichen, die Kooperation mit der dänischen Black Metal-Band ORM geht wieder straight nach vorne und das Album nimmt Fahrt auf. Dann ein direkter Übergang in den nächsten Song „Mouth Of The River“, hier geht‘s wieder rauf und runter, erst Old-School-Death Metal-Nummer, dann rockiges Zwischenspiel.
Instrumental können BAEST auch, das melodiöse „Light Of The Beacons“ hat mit Death Metal wieder gar nix zu tun, BAEST haben hier wie damals SENTENCED auf ihrem zweiten Album „Amok“ einfach einen komplett anderen Song dazwischengeschoben. Zum Zieleinlauf kommt „Depraved World“ mit vergleichsweise wenig Wendungen und Schnörkel daher, überrascht aber bei genauem Hinhören mit einer kleinen Doppel-Gitarrenlauf-Anspielung auf IRON MAIDEN.
„Colossal“ ist im besten Sinne progressiv und damit meine ich nicht, dass sich die Musiker plötzlich ihre Instrumente unters Kinn hochschnallen und mit Fingerübungen langweilen. Dass BAEST gute Musiker sind, haben sie schon auf ihren früheren Alben bewiesen. Neu ist, wie songdienlich sie ihre Fähigkeiten einsetzen. Ein mutiges Album, mit dem man ruhig mal die ein oder andere Runde durch einen Teil der Musikgeschichte drehen kann.
VÖ: 15. August 2025
Label: Century Media
BAEST – “Colossal” Tracklist
1. Stormbringer (04:32) (Video bei YouTube)
2. Colossus (04:23) (Video bei YouTube)
3. In Loathe And Love (05:09)
4. King Of The Sun (feat. Jesper Binzer of D-A-D) (04:09) (Video bei YouTube)
5. Imp Of The Perverse (05:56) (Video bei YouTube)
6. Misfortunate Son (feat. ORM) (04:02) (Video bei YouTube) (Video bei YouTube)
7. Mouth Of The River (04:24)
8. Light The Beacons (03:42)
9. Depraved World (06:04)
BAEST line-up:
Svend Karlsson – Rhythm/Lead Guitar
Simon Olsen – Vocals
Lasse Revsbech – Rhythm/Lead Guitar
Sebastian Abildsten – Drums & Percussion
Mattias ‘Muddi’ Melchiorsen – Bass